Häufig gestellte Fragen
Frequently Asked Questions
Erholung und Sport in der Natur haben in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Heute werden auch viele Gebiete genutzt, die früher im Winter völlig unberührt blieben.
Gerade in der kalten Jahreszeit ist der Lebensraum der Wildtiere jedoch bereits natürlicherweise stark eingeschränkt. Sie schränken ihren Bewegungsradius ein und halten sich in Gebieten auf, die noch genügend Nahrung bieten. In diesen sind sie unbedingt auf Ruhe angewiesen und reagieren besonders sensibel auf Beunruhigungen.
Die Ausscheidung von Wildruhezonen hilft, solche Gebiete zu schützen. Die Ausscheidung geschieht in der Regel dort, wo Konflikte bestehen oder bei einer weiteren Zunahme der Freizeitaktivitäten zu erwarten sind.
Eine Störung ist eine vom Mensch ausgelöste Veränderung im Verhalten, in der körperlichen Verfassung oder dem Aufenthaltsort eines Tieres, welche negative Konsequenzen für das einzelne Tier oder die Population hat.
Ob dies im Einzelnen der Fall ist, hängt von Zeit, Ort, Häufigkeit und Intensität der Ereignisse ab, die eine Störung verursachen. So reagieren Tiere auf nicht vorhersagbar auftretende Ereignisse mit grösserer Empfindlichkeit. Ebenso sind Begegnungen für Tiere an für sie wichtigen Orten, wie Brut- und Aufzucht- oder Nahrungs- und Rückzugsgebieten heikler.
Zur Beurteilung, ob es sich um eine Störung handelt, werden verschiedene Kriterien herangezogen:
- Verlust von Lebensraum einer Population (z.B. wichtige Nahrungsgebiete)
- Schwächung der Individuen und/oder Rückgang der Anzahl Individuen einer Population
- Folgewirkungen auf andere Elemente des Lebensraumes (Schaden an der Vegetation etc.)
Dass sich Freizeitaktivitäten nachteilig auf Wildtiere auswirken, ist mittlerweile zuverlässig mit Fakten belegt (z.B. Arnold 2004, Ingold 2005). Störungen durch Freizeitaktivitäten lösen bei den meisten Wildtierarten Feindvermeidungsverhalten aus (Boldt 2009).
Wildtiere müssen im Winter haushälterisch mit ihrer Energie umgehen. Eine Flucht aufgrund einer Störung hat einen erhöhten Energiebedarf zur Folge, der im schlimmsten Fall zum Tod des Tieres führen kann.
Neuere Forschungsergebnisse zeigen zudem, dass Wildtiere (z.B. Raufusshühner) mit erhöhten Stresshormonkonzentrationen auf Störungen reagieren (Mollet & Thiel 2009). Längerfristig anhaltender Stress wirkt sich in der Regel schädlich auf das Immunsystem und damit auf das Überleben von Wildtieren aus.
Am Beispiel des Birkhuhns konnte denn auch gezeigt werden, dass sich Störungen negativ auf das Überleben und auf die Fortpflanzung dieser Raufusshuhnart auswirken (Arlettaz et al. 2007).
- Arlettaz, R., Patthey, P., Baltic, M., Leu, T., Schaub, M., Palme, R., Jenni-Eiermann, S. (2007): Spreading free-riding snow sports represent a novel serious threat for wildlife. Proc. R. Soc. B 274: 1219-1224.
- Arnold, W., Ruf, T., Reimoser, S., Tataruch, S., Onderscheka, K., and Schober, F. (2004). Nocturnal hypometabolism as an overwintering strategy of red deer (Cervus elaphus). Am J Physiol Regul Integr Comp Physiol (286): 174-181.
- Boldt, A. (2009): Ruhe ist überlebenswichtig – Wildruhezonen als Instrument des Artenschutzes. Wildbiologie 4/36.
- Ingold, P. (2005): Freizeitaktivitäten im Lebensraum der Alpentiere. Konfliktbereiche zwischen Mensch und Tier mit einem Ratgeber für die Praxis. Haupt Verlag, Bern.
- Mollet, P., Arlettaz, R., Patthey, P., Thiel, D. (2007): Birkhühner und Auerhühner brauchen Schutz vor Störungen. Faktenblatt. Schweizerische Vogelwarte, Sempach.
- Mollet, P., Thiel, D. (2009): Wintertourismus beeinflusst das Verhalten und die Stressphysiologie des Auerhuhns. Schweiz. Zeitschrift für Forstwesen 160: 311- 317.
Mit Stresshormonen mobilisiert ein Lebewesen seine Körperreserven bei einer besonderen Umweltbeanspruchung. Der Stoffwechsel wird gesteigert (z.B. verstärkter Fettabbau), das Tier ist in Alarmbereitschaft.
Muss es flüchten, braucht es die Ausschüttung von Stresshormonen, um den Stoffwechsel aus dem winterlichen Sparmodus innert kürzester Zeit auf Hochtouren zu bringen. Stresshormone im Kot sind damit ein wichtiger Indikator für die Belastung eines Tieres.
Fluchtreaktionen vor Freizeitsportlern kommen zu natürlicherweise auftretenden Fluchten vor Feinden hinzu. Dies kann für die Tiere zu viel sein. So kann eine langfristige Erhöhung der Stresshormone zur Schwächung des Immunsystems und geringerem Fortpflanzungserfolg führen.
Der natürlichen Feindsituation passen sich die Tiere an, gegenüber den vielfältigen Freizeitaktivitäten gelingt ihnen dies oftmals nicht. Vor diesem Hintergrund sind erhöhte Mengen an Stresshormonen im Kot negativ zu bewerten.
Auch häufige und jagdbare Arten haben ein Recht auf Lebensraum. Durch den Freizeitbetrieb können Tiere aus guten Räumen verdrängt werden, Gämsen zum Beispiel aus offenen alpinen Gebieten in den Gebirgswald.
Von der winterlichen Störung sind Tierarten betroffen, die überhaupt mit den harschen Winterbedingungen im Gebirge zurechtkommen. Das sind aufgrund ihrer physiologischen Anpassungen vor allem die wiederkäuenden Huftiere (Gämse, Reh, Rothirsch, Steinbock) sowie die Raufusshühner (Auerhuhn, Birkhuhn, Schneehuhn).
Nur dank der angepassten Verdauung gelingt es diesen beiden Gruppen, im Winter aus der nährstoffarmen und faserreichen Nahrung genügend Energie zu gewinnen. Abgesehen vom Auerhuhn sind diese Arten nicht bedroht.
Die alpine Zone ist jedoch für alle ein wesentlicher Teil ihres Lebensraumes, und sie sind ein wichtiges Glied der Lebensgemeinschaft dieser Zone. Der Gesetzgeber hat in der Natur- und Heimatschutzgesetzgebung klar festgehalten, dass die örtliche Vielfalt geschützt werden soll. Und dazu gehören auch häufige Arten in ihren angestammten Lebensräumen.
Das Gewöhnungsvermögen ist von Tierart zu Tierart verschieden. Eine Gewöhnung kann nur eintreten, wenn sie einschätzbar wird. Deshalb sollte sich die Freizeitaktivitäten auf bestimmte Routen konzentrieren.
Da die Freizeitsportler heute meist räumlich und zeitlich ganz unterschiedlich Auftreten, bleiben sie für die Wildtiere nicht voraussehbar.
Bei wiederholten, unvorhersehbaren Ereignissen können Tiere sogar stärker reagieren und immer auf grössere Distanz flüchten. Man spricht dann von Sensitivierung. Dieses Phänomen ist den wenigsten bekannt.
Die heftigen Reaktionen bleiben meist unbemerkt, weil die erschreckten Tiere sich ducken oder längst geflüchtet sind, bevor sie überhaupt gesehen werden. Gewöhnung kann nur auftreten, wenn Menschen für die Tiere berechenbar werden. Dies kann etwa entlang einer markierten, viel begangenen Route der Fall sein.
Darum ist es so wichtig, dass man im Wald auf Wegen und bezeichneten Routen bleibt (Regel 2 der Kampagne «Respektiere deine Grenzen»).